Canella kommt aus einem kleinen, dunklen, selbstgezimmerten Holzstall, der an der Vorderseite komplett mit Luftpolsterfolie verklebt war....doppellagig, so dass weder viel Luft noch Licht zu ihr reindringen konnten. Es gab kein Heu und kein Futter, außer ein paar sehr alte Reste Brot und nicht mehr kenntliche Schale von Irgendwas. Die Nippeltränke war leer, der Kot dafür in Massen vorhanden. Unter dem Stall stand ein Eimer Pellets, im Stall nichtmal davon was. So lebte sie da mindestens seit 2 Jahren laut Nachbarn.
Ich bekam am Telefon die Aussage, dass das Tier hochaggressiv wäre und man es nicht mehr leiden könne. Es soll schnell weg, da man es auch nicht mehr anfassen kann.
Als ich dort ankam, machte man mir nicht auf. Ich rief an und bekam die Auskunft, dass die Dame wohl von einem Magen-Darm-Virus über Nacht ereilt wurde und ich in den Hof gehen soll, mir das Tier aus dem Stall nehmen.
Ich hab sie Canella getauft, sie hatte keinen Namen. Mir war so flau im Magen, dass ich sehr schnell wieder ging und nur froh war, dass ich die Maus da raus holen konnte.
Ja, Canella..... was soll ich sagen.... mit Engelszungen habe ich mit ihr geredet, sie viel gestreichelt, sie hat sofort geknuspert....ich hatte ein gutes Gefühl. Sie bekam gleich den ganzen Wintergarten für sich, frisches Heu, ein Napf Wasser, aus dem sie im Minutentakt trank und erstmal etwas Grünfutter. Ein kleines Paradies hab ich ihr hergerichtet und mich so gefreut, dass sie nun leben darf. Gedankt hat sie es mir schon am selben Tag, als ich nach einiger Zeit den Wintergarten wieder betreten habe und sie sich wie eine Bestie auf mich stürzte
In meinem Leben habe ich noch nie ein so aggressives Tier erlebt. Ich dachte: „Gut, das ist klar, die arme Maus....sie hat so schlimmes erlebt“. Ich ging sofort runter, machte mich klein, hielt Abstand und wollte ihr etwas getrockneten Wegerich aus der Tüte in einen Napf legen, als sie sich in Sekundenschnelle in meinem Arm festbiss. Tat weh. Langärmelige Bluse plus recht dicke Fleecejacke und trotzdem ne blutende Wunde.....Respekt.
Ich entfernte mich erstmal und ging wieder aus dem Wintergarten raus, klebte ein Pflaster und dachte nach, wie ich ihr das Zusammentreffen erleichtern könnte.
Nun wird es täglich schlimmer. Dem Bereich um den Fressnapf darf ich mich gar nicht mehr nähern, da greift sie sofort an.....Ohren nach hinten und Attacke.
Gestern wurde sie sofort beim TA durchgecheckt. Alle Tastbefunde gut, Zähne sind spitzenmäßig, Kotprobe ergab Kokis und massiv Hefen.
Laut der Vorbesitzer am Telefon wurde vor einigen Wochen ein Bock dazugeholt, den sie umgehend zerfleischt hat (das habe ich erstmal nicht so ernst genommen, da ich weiß, dass vermutlich alles falsch gemacht wurde, was geht). Den Bock wollen sie mir nicht geben, der saß leider auch nicht in diesem Hof, wahrscheinlich im Kinderzimmer beim 13 Jährigen Sohn. Ich bleibe aber dran.
Nun denke ich aber, dass Canella tatsächlich problematisch wird.
Ich kann ihre Verträglichkeit mit Artgenossen hier nicht testen, da ich nur sie als Pflegetier habe und nun muss ich sie als „Überraschungsei“ vermitteln. Das macht mir Sorgen.
Die TÄ zieht eine Kastra in Erwägung, sagt aber ganz klar, dass dies auch ein erlerntes Schutzverhalten den Menschen gegenüber sein kann.
Seltsam finde ich, dass es aber täglich schlimmer wird, obwohl ich ihr wirklich keinen Anlass gebe. Ultraschall wurde noch nicht gemacht, dafür brauche ich einen Extratermin.
Wenn ich sie „überwältigt“ habe, lässt sie sich stundenlang streicheln und knuspert dabei auch in höchsten Tönen. Aber sobald ich danach aufstehe und den Wintergarten verlassen will, sprintet sie mit angelegten Ohren hinterher und versucht meine Hacken noch zu erwischen.
Ich muss gestehen, ein bisschen unheimlich ist das schon
Sie hat auch überhaupt keine Angst, sie hat ganz viele Ausweich- und Versteckmöglichkeiten und trotzdem rennt sie sofort zu mir hin und will mich anspringen und beißen.
Ich hoffe sehr, dass sich das alles legt, denn wie ich die Kleine guten Gewissens vermitteln soll, ist mir derzeit noch ein Rätsel.
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